Suche Sinn, biete Finderlohn.

Freitag, 31. Dezember 2010

Ab hier und heute tut es einfach nur noch weh. Und ich weiß, dass du es schon lange wusstest. Du wusstest, dass ich mein Herz sonst nie öffne und trotzdem hast du es geschafft, dass ich dich reingelassen habe. Und dann hast du dein Gift verspritzt und jetzt fühlt es sich an, als würde ein riesiger Tumor über mein Herz bestimmen und du siehst mich an und lächelst, weil du nie etwas anderes getan hast, außer zu lächeln und Tumore zu verteilen, die sich ihr Leben lang an die Gefühle derer klammern, die immer selber darüber entscheiden wollten.“

Samstag, 20. November 2010

Das Telefon klingelt dreimal, dann nehme ich ab. Die Ziffern auf den Tasten sind extra groß gedruckt, damit man sie zu jeder Tageszeit und mit jedem Augenschein erkennen kann.
Du begrüßt mich nicht richtig, plapperst sofort drauf los und erzählst mir von deinem Tag. Ich setze mich auf einen unserer Hocker, der im Flur steht und höre dir zu. Ab und zu werfe ich ein interessiertes „Okay.“ „Aha.“ oder „Oh wow!“ ein, damit du auch merkst, dass ich dir zuhöre. Obwohl ich bezweifle, dass dir das so wichtig ist. Du hörst dich selber gerne reden.
Ich wundere mich über deine Gedanken
oder über die meine? Wie kann es sein, dass du so viel mit mir teilst, obwohl ich ganz anders nachdenke? Ich schweige eine Minute lang, aber dein Redeschwall bricht nicht ab. Ich atme geräuschvoll aus und ein und an deiner Stelle hätte ich nun aufgehört zu erzählen, doch du musst noch so viel aus dir rausholen, es muss noch so viel gesagt werden. Der Spiegel hängt mir gegenüber und ich sehe krank aus.
Die Probleme, die du hast, würde ich nicht einmal als welche betiteln, aber wie kann ich das auch beurteilen, jeder Mensch empfindet verschiedene Schmerzen unterschiedlich, vielleicht ist es ja das, was das Leben so interessant macht.
Dass ich nicht verstehen kann, warum du über die Jungen weinst, die du liebst und dann wieder nicht, warum du immer wieder dieselben Wege gehst und dich nachher wunderst, warum du immer wieder in dasselbe Loch fällst, obwohl dort langsam Warnschilder stehen sollten, so oft bist du die Wege gegangen.
Und du verstehst nicht, warum ich manchmal einfach so weine, obwohl es keinen bestimmten Grund hat. Ein bestimmter Grund wäre in deinen Augen wohl ein Junge, aber wieso sollte ich über etwas Salzwasser vergießen, das mir nicht halb so wichtig ist wie das, worüber ich mir eigentlich Gedanken mache.
Ich muss schlafen, die dunklen Ringe unter meinen Augen breiten sich immer weiter aus und ich stelle mir vor, wie sie mein Gesicht auffressen. Du redest und redest und so langsam wird mein Ohr ganz rot, es wird heiß und das mag ich nicht.
Ich drücke auf den großen roten Hörer, er kommt mir noch größer vor als die anderen Tasten.
Ein paar Sekunden später klingelt das Telefon wieder, ich hebe nicht ab.

Samstag, 13. November 2010

Es ist gut zu wissen, dass es noch andere Personen gibt, denen es ähnlich schlecht geht.

Weil ich ja irgendwann ohne dich leben muss.


New Radicals - Someday we'll know

Freitag, 12. November 2010

Und irgendwo dazwischen tut's weh.
























Du bist mein Desktophintergrund.
Deine CD läuft rauf und runter bei mir.
Dein Brief hängt an meiner Pinnwand über dem Schreibtisch und obwohl wir schon die Tage zählen,
kommt's mir immer länger vor und es wird schlimmer mit jedem mal.
Du bist nicht da.





Bilder aus dem Film: Love Actually

Mittwoch, 10. November 2010

Glück ist, wenn man es schafft, bei "The Scientist" an etwas zu denken, das dich zum Lächeln bringt.



Bild: weheartit.com
The Scientist by Coldplay

Montag, 8. November 2010

Rückfall

Es kommt wieder, ich merke es.
Ich wache morgens auf und kann nicht aufstehen, weil mich das Gewicht, das in mir lastet zu schwer geworden ist. Manchmal wache ich in der Nacht auf, kann nicht mehr einschlafen und fühle mich trotzdem so müde, dass meine Augen nicht geöffnet bleiben können. Mir ist andauernd kalt, ich habe keine Lust mehr, mir die Geschichten anderer anzuhören, ich möchte jede Person schlagen, der es gut geht.
Es wird Herbst und alles verstärkt sich noch mehr.
Warum ich hier bin?
Um auf dich zu warten.

Freitag, 15. Oktober 2010

Verblendung

Ich sitze auf diesem hässlichen Teppich, in diesem hässlichen Zimmer und höre jetzt seit nun gut 20 Minuten JAW mit Meer aus Tränen.
Wenn ich dir früher von Rap erzählt habe, hast du es nicht verstanden, warum ich so viel in den Künstlern sah, das du nicht erkanntest. Vor Kurzem habe ich deinen Brief erhalten und war erstaunt, die vielen Zitate meiner Lieblingskünstler aufzufinden.
Ich weiß jetzt, dass du durch meine Augen siehst, Kleine.
Vor Kurzem bin ich einer Frau begegnet, der ich irgendwann alles erzählt habe, das mit dir und mir, die vielen Briefe und Lieder, die ich für dich schrieb, ich habe ihr Fotos gezeigt und vielleicht hätte ich’s nicht getan, wenn ich nichts genommen hätte.
Aber jetzt weiß noch jemand außer uns über das, was geschehen ist bescheid. Nicht so intensiv wie du und ich und sie hat natürlich nicht alle Hintergrundinformationen bekommen, aber sie kennt meine Zeilen an dich, meine gemalten Bilder für dich hat sie sich angesehen und seitdem denke ich, dass ich all das entwürdigt habe. Niemand weiß, was ich je für dich empfand und manchmal zweifle ich daran, ob du es auch tust.
Ich erblinde am Tag, Iris.
Ich kann dich nicht mehr sehen, wenn ich die Augen schließe. Ich sehe die Konturen deiner Facette, aber eine schwarze Welle überflutet dich jedes mal, wenn ich nah genug bin, um deinen Atem zu spüren.
Krieg dein Leben in’ Griff.
Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz gehört habe, in letzter Zeit öfter als jemals zuvor.
Und ich weiß nicht, wie ich es schaffen soll, ohne dich, mein Engel. Du bist gegangen, aber wärst es nicht, wenn ich dich gehalten hätte. Das war mein größter Fehler im Leben voller Fehler. Du hast mich nicht verlassen, du wärst geblieben ohne zu zögern, du wärst mit mir gestorben, du hast es mir immer wieder an die Brust geschworen.
Und jetzt habe ich dich verlassen und alle Farben sind schwarz geworden, selbst das Blau der Decke dieses Zimmers. Es erdrückt mich und du bist nicht da, die mir die Last abnehmen kann. Mein Kopf ist verdorben und für meine Probleme habe ich keine Kraft mehr.
Wie konnte ich dich nur gehen lassen.
Wie konnte ich dich nur gehen lassen?

Dienstag, 5. Oktober 2010

L.


N.: -Ich kann nicht mehr schreiben, seitdem du weg bist. Ich versuche es immer, aber ich bin zu unkonzentriert.
(...)
L.: -Immer wenn ich unsere Lieder höre und an dich denke, fühlt es sich an, als wenn ein Moster meinen Bauch zerfetzt.


Du fehlst hier.
Nur noch 3 Monate?

Sonntag, 26. September 2010

Für die Nixe.

Die Ohrstöpsel in den Ohren, die Lautstärke auf das Maximale gedreht, sitzt sie an ihr Bett gelehnt auf dem Boden und starrt die weiße Wand an.
Irgendwann hat sie alle Fotos abgerissen, so wütend, dass immer ein paar Fetzen der weißen Tapete an den Klebestreifen hängen blieben, aber sie wollte die glücklichen Zeiten nicht jeden Morgen nach dem Aufstehen sehen, sie wollte nicht realisieren, wie sich alles verändert hatte, wie leicht es früher gewesen war.
Komisch, dass man so viele Interpreten findet, die scheinbar den gleichen Schmerz verspüren wie sie, wenn man sich erst mal in der Situation befindet. Dann ist es, als hätte man Seelenverwandte gefunden, unter den vielen Rappern, den vielen Musikern, die ihr Leid in die Noten trugen und mit wütender Stimme den Schmerz aus dem Kopf sangen. Sie fand immer wieder neue Tracks, immer wieder bessere Zeilen, die ihre Lebenslage so gut beschrieben, dass sie manchmal dachte, jemand hat ihr in den Kopf gesehen.
Das war ein kleiner Trost, dass sie nicht alleine war.
„Nur wegen eines Jungen?“, fragten manche ungläubig, weil sie es nicht verstanden. Nur wegen eines Jungen, der nicht mehr ihrer war. Tut weh, so etwas zu hören, jedes Mal aufs Neue. Es tut weh, seine Bilder zu sehen, auf denen er so glücklich aussieht.
Wieso geht es ihm so gut, wieso geht es mir so schlecht? Wieso hat er einfach so abgeschlossen, wieso hänge ich noch so sehr an ihm, wie wenn man mit einem Schuh in ein Kaugummi tritt?
Und sie versuchen ja auch alle, sie zu verstehen. Sie erteilen ihr Ratschläge, versuchen, für sie da zu sein, hören ihr zu und reden ihr ein, dass es besser wird.
Natürlich wird es besser, irgendwann. Aber wenn dir die Lust an allem vergeht, hast du nicht mehr die Kraft, über die Zukunft nachzudenken.
Liebeskummer wäscht sich irgendwann aus, wie die Flecken aus einem Shirt. Irgendwann hat man alles so sehr durchgekaut, dass man den Schlussstrich zieht und neu beginnt.
Aber nicht jetzt, nicht morgen und gewiss nicht in nächster Zeit.
Vor Kurzem hat sie bemerkt, wie das ganze sie abgehärtet hat. Viele der dummen Kommentare prallten an ihr ab, als sei sie unter einer Glasglocke gefangen, die sie vor Bomben schützen sollte. Unnahbar – unantastbar.
Bald wird es Winter, dachte sie. Spätestens dann muss ich aus meinem Loch kriechen, damit es nicht zufriert und ich für immer dort unten bleibe.
Dann war der Akku ihres iPods alle.

Mittwoch, 11. August 2010

Mein Herz stolpert.
Jedes Mal, wenn ich frische Luft einatme, wenn ich ans Fenster trete und versuche, Sauerstoff aufzunehmen, habe ich das Gefühl, kotzen zu müssen.
Dann bleibt die Pumpe kurz stehen und ich denke, das war’s.
Und jedes Mal holpert es weiter.
„Über Stock und über Stein...“ und über dich und mich.

The Cinematic Orchestra - To Build a Home

Freitag, 30. Juli 2010

Die Opfergabe

Morgen ging es zurück ins beschissenste Land der Welt, dachte er und warf einen Stein in die Flut. Das Wasser riss ihn mit sich und er sah ihn nur noch als kleinen Punkt im blauen Wasser. Der Himmel verfärbte sich rosa, die Pärchen, die sich jetzt am Strand befanden warfen Floskeln wie „Oh schau mal, sooo ein schöner Sonnenuntergang!“ um sich und er saß da und starrte aufs Wasser.
Wie lange dauert es, bis man wirklich tot ist? Und wie viel Wasser bräuchte man dafür?
Die Wellen überschlugen sich, Schaumkronen wurden immer größer. Er stellte sich vor, wie es wäre, unter diesen Wassermassen begraben zu sein.
Dann findet auch niemand meine Leiche. Trübe Gedanken an einem leeren Tag.
Sein gesamtes Leben war leer. Seitdem Jamie gegangen war gab es keinen Grund mehr, in die Schule zu gehen. Seine Ausbildung war ihm scheiß egal geworden, sein Hobby, die Musik ebenfalls.
Die Sonne war fast verschwunden.
Früher wollte Jamie immer Rapper werden. So einer mit sinnvollen Texten und Botschaften, die den Staat angriffen und die kleinsten Rebellen stärker werden ließ.
Er hatte immer zugesehen, wenn er getextet hatte, manchmal warf er auch ein paar Reimwörter ein, die Jamie natürlich alle beschissen fand.
Unter Jungs ist das halt etwas Anderes, hatte er sich damals gedacht.
Sein iPod spielte immer wieder dasselbe Lied.
Wie sagte Eminem?
„Have you ever loved someone so much you’d give an arm for? Not the expression, no, literally give an arm for?”
Jungen weinen nicht, dachte er immer wieder und spuckte ins Wasser. Jungen weinen nicht. Jungen dürfen nicht weinen. Sang doch schon „The Cure“.
Er warf sich in den Sand, zog die Stöpsel aus seinen Ohren und hörte nur noch das Rauschen des Meeres.
„Ich weiß nicht, ob du’s weißt, Jamie, aber ich hätte viel mehr für dich gegeben, als nur einen meiner Krüppelarme. Immer, zu jeder Zeit.“
Als er aufstand und ging, war die Sonne nicht mehr zu sehen.
Ich roch nach Haarspray, er nach Schweiß. Die Mischung war perfekt, wie ich empfand und plötzlich nahmen die Dinge ihren Lauf. Er fragte mich, was ich am Liebsten tränke, Kaffee, Cappuccino oder doch lieber einen Latte? Ich musste ihn enttäuschen und bestellte mir einen Kakao. Die Sonne brannte heiß auf seiner glatten Haut, Schweißperlen rollten sämtlichen Stirnen hinab und ich saß mittendrin und lächelte.
Er erzählte mir von seinem Job, der Poesie und er zitierte sämtliche Philosophen, die er gerne mochte. Einmal stand er auf, breite seine Arme aus und sang mit kläglicher Stimme Pavarotti. Er brachte mich zum Lachen und mir war nichts mehr peinlich, fast so wie zu viel Alkohol, nur süßer. Vielleicht ein Mixgetränk.
Dann beschwerte er sich, dass Romantik nur bei großen Schriftstellern, Musikern oder allgemein Künstlern schön sei, nicht bei Männern wie ihm.
„Dann ist es einfach Kitsch, verstehst du? Dann denkt sich die normale Frau von heute: „Hey, der will dich einfach nur in die Kiste bekommen, mehr nicht!“ Und puff, aus ist es mit der super Idee von ernst gemeinten Sätzen unter den Linden im Park.“
„In was für einem Jahrhundert lebst du denn?“ Ich sah ihn an, grinste, es sollte nicht besonders ernst gemeint sein, es sollte zumindest keine Diskussion lostreten, aber er nahm es sehr persönlich.
„In was für einem Jahrhundert ich lebe? In einem Jahrhundert, in dem es noch um wahre Liebe geht. Um dumme, irrationale, irreführende, romantische, „kann-nicht-ohne-einander-leben“ Liebe!“
Ich sah ihn an, schlürfte meinen Kakao und dachte über seine Worte nach. Er hatte recht behalten, so etwas klang nur mit Musik gut. Vielleicht, weil das Klavier den Kitsch mit sich nimmt oder weil die Geigen es einfach überspielen. Und vielleicht war Julia ja auch nur gestorben, weil sie so sehr an dem fest hing, dass es nur eine große, wahre Liebe im Leben gibt? Und die ist ihr ja einfach verreckt.
Er redete die ganze Zeit, aber ich konnte ihm nicht mehr folgen, zu sehr nahmen mich meine Gedanken ein. Kann es sein, dass ich irgendwann aufgehört hatte, nach DER Liebe zu suchen und mich einfach anpasste?
Mein Kakao war leer, die Tasse stand vor mir und ich wurde immer unruhiger. Wenn dem so sei, überlegte ich, war ich für diesen Mann nicht bereit. Zumindest wollte ich nicht, dass er meinetwegen schrecklich kitschige Liebesgedichte verfasste, die frühestens in 50 Jahren romantisch wurden. So lange konnte man nicht warten, nicht mal für den perfekten Mann oder die perfekte Harrspray-Schweiß-Sommer-Mischung.
„Weißt du, wenn ich ehrlich sein soll, muss ich dir gestehen, dass ich genau so wie die anderen bin. Ich finde das alles auch schrecklich kitschig und ich glaube nicht mehr an die große Liebe!“
Er starrte mich verwirrt an. Ich hatte ihn in seiner hitzigen Argumentation unterbrochen und ich hatte ihn mit der schrecklichen Wahrheit konfrontiert, die leider eher realistisch aussah. Beides zusammen kann kein Mann vertragen.
Ich rückte den Stuhl nach hinten, stand auf, gab ihm die Hand und wollte meinen Kakao bezahlen, da zückte er seine Brieftasche und meinte: „So viel Romantik muss sein. Oder nennen Sie es doch besser Anstand!“ Dann ging er.
Und so waren wir wieder zum Siezen zurückgekehrt.

Donnerstag, 29. Juli 2010


Mitbewohnerin von einem Freund,
deine Gestalt auf diesem Sofa,
die hab ich nicht vergessen.
Mit der weißen Mütze siehst du fröhlich aus,
als schütze sie dich vor dem Fernseher,
der dich beschießt und du scheißt darauf.

Und ich weiß,
dass ich dich gerne mag.
Ich denk an dich und grinse, immer wenn ich Fahrrad fahre.
Das was wir hier unter uns besprechen,
muss unter uns ein Geheimnis sein.
Moritz Krämer - Mitbewohnerin

Mittwoch, 28. Juli 2010

Sie saß ihm gegenüber und aß ihre Spaghetti. Der Löffel lag unbenutzt neben dem Teller, sie nahm nur die Gabel und wickelte die Nudeln mit einer kreisenden Bewegung drum herum. Dabei entstand ein kreischendes Geräusch, das ihm die Haare auf den Armen zu Bergen stiegen ließ.
Sie blickte ihn irritiert an, runzelte dabei ihre breite Stirn. Dann lachte sie, weil er weiter reglos dasaß und nichts tat. Seine Suppe war schon längst erkaltet, das Baguette daneben würde morgen hart sein. Von Zähnen zerkleinerte Essensreste flogen über den Tisch, als sie ihm mit vollem Mund fragte, was denn los sei. Dabei zog sie ihre linke Augenbraue hoch. Nur er wusste, dass sie das tagelang zuhause vor dem Spiegel geübt hatte.
„Ich finde einfach, dass das cool aussieht! Stell dir mal vor du gehst zu deinem Mathelehrer, ziehst die Augenbraue so hoch, blickst ihn so beschissen arrogant wie möglich an und sagst dann: ‚Ich glaube, wir sollten uns noch mal über meine Note unterhalten!’ Ist das nicht beeindruckend?“
Dass der Lehrer ihr dadurch wohl eher ein schlechtes Mitarbeiten aufs Zeugnis geklatscht hätte, ignorierte sie und wischte es mit einer lässigen Handbewegung aus seinen Gedanken.
„Wenn ich das hier nicht packe, mach ich halt etwas Anderes. Ich finde, das Leben ist zu kurz, um sich mit so dummen Kleinigkeiten wie Schulnoten und „soziales Verhalten“ rumzuschlagen.“
Als sie noch kleine Kinder waren, hatten sie sich immer zusammen ausgemalt, dass sie später ein Haus kaufen würden und zusammen blieben, bis sie sterben würden. Als er sie eines Nachmittags dran erinnert hat, hatte sie nur gelacht und gemeint, dass sie ihre Freiheit viel zu sehr liebt, um mit ihrem besten Freund eine Familie zu gründen und in einem langweiligen Dorf bis an ihr Lebensende zu wohnen.
Nachdem sie den Film „Das wilde Leben“ gesehen hatte, war sie ganz begeistert von der Lebensart der Uschi Obermaier gewesen, schwärmte ihm tagelang etwas vor und meinte, dass mit 18 ihr Leben losginge. Er hatte immer zugehört, genickt, wenn sie seine Zustimmung sehen wollte und dabei gedacht, dass ihm das alles zu viel wurde.
Irgendwann hatte sie ihn aus ihren Zukunftsplänen gestrichen und er traute sich nicht zu fragen, was mit ihrer Freundschaft sei, die sie mittlerweile seit 16 Jahren pflegten.
Durch dick und dünn, wobei er dann eher dick wäre und sie dünn. Nicht nur dünn, sondern sehr dünn. Er war froh, dass sie wieder aß und ihre „Ich trete jetzt in den Hungerstreik!“-Phase abgelegt hatte.
Sie warf die Gabel in den Teller, sodass sie Soße ihm ins Gesicht spritzte.
„Gehen wir mal Paintball spielen? Ich hab’ das im Fernsehen gesehen und ich fand’s echt super! Wie im Krieg, pew pew pew!“
Sie stand auf und duckte sich, ihre Hände zu einer Pistole verformt, die Finger zuckten bei jedem Schuss.
„PEEEEEEEEEEEEW! Habe ich dich!“ Sie schoss auf ihn, die Kugel sollte ihn wohl in die Schulter treffen, aber ihm wäre das Herz lieber gewesen.
„Na, biste tot oder brauchst du noch eine?“ Sie stand über ihm und grinste über ihr schmales Gesicht. Berührten die Mundwinkel die Ohren oder bildete er sich das nur ein?
Sie zielte auf seine Stirn, lachte kurz und zielte dann auf die Glasscheibe hinter ihm.
„Wir sollten langsam zum Biologieunterricht, was meinst du?“

Donnerstag, 15. Juli 2010

Der Stachel

Irgendwas muss sich verändern, dachte sie und blickte aus dem Fenster, das zum Hinterhof führte. Graue Wände, wohin sie nur sah. Was hatte sie erwartet? Die wunderbare Welt? Die gab es schon lange nicht mehr, wenn sie den Erzählungen ihres Vaters glaubte. Arbeitslosigkeit, Ungerechtigkeit und Scheidung. Vielleicht war das der Alltag, von dem alle sprachen.
Aber das sollte alles sein?
Sie strich über ihre blaue Tagesdecke, zupfte die Kissen zurecht. Wir ordentlich alles war, wie unaufgeräumt ihr Kopf.
Vielleicht musste sie einfach spazieren gehen, vielleicht musste sie frische Luft in ihren kaputten Lugen spüren, vielleicht sollte sie rennen, bis sie kotzen musste.
Sie setzte sich auf ihr Bett und stützte den schweren Kopf auf ihren Händen ab.
Sog die abgestandene Luft tief in ihren Körper, bis auf den Grund der geschädigten Organe. Blut rauschte in ihren Ohren. Das erinnerte sie an den Tag, an dem ihr Vater ihren Traum von der Muschel zerstört hatte.
„Du hörst doch nicht das Meer rauschen, Dummerchen! Das ist das Blut, das fließt, nicht der Atlantik, nicht das Mittelmeer, noch nicht mal die Ostsee! Du musst noch viel lernen!“ Danach hatte er sich ein Bier geöffnet, sich vor den Fernseher gesetzt und sie mit dem Lernen alleine gelassen. Wie so oft.
Vielleicht war das seine Rache an ihrer Mutter. Vielleicht ließ er sie so oft alleine, um zu merken, wie es ist, jemanden geliebtes zu verlassen. Denn er tat es, jedes Mal, wenn er sie mit einem kurzen Satz abspeiste und sich lieber mit der Vormittagsshow im TV beschäftigte, als mit ihr.
Sie hatte früh gelernt, dass Weinen nur eine Zeit- und Tränenverschwendung war und ihr nur ein paar Ohrfeigen einfingen. Manchmal kullerten aber trotzdem noch ein paar Tropfen aus ihren trüben Kinderaugen. Wenn sie allein war oder wenn der Vater sie weggesperrt hatte. Mal auf dem Balkon, mal in der Küche.
Sie zog den Karton unter ihrem Bett hervor, öffnete den Pappdeckel und zählte die bunten Pillen. Viele, es waren viele geworden, in den Jahren.
Jeder Mensch sammelt etwas, dachte sie. Briefmarken, Tüten oder Hüte! Und ich sammle nun mal diese kleine Glücksbringer.
Viele davon waren rot, andere blau und dann gab es auch noch welche, die einen komischen Gelbton angenommen hatten. Fast so wie Pipi, dachte sie und musste grinsen.
„WO SIND DIE VERFICKTEN LEERGUT-BONS?!“
Die Stimme ihres Vaters ist schön, wenn er nicht brüllt. Das hatte sie allen erzählt, um sie ruhig zu stellen. Allgemein ist er nicht sehr böse, manchmal geht es ihm halt nicht so gut. Die Freundinnen hatten verständnislos den Kopf geschüttelt. Im Endeffekt verstand sie eh niemand. Und wenn sie ehrlich war, verstand sie ihre Lügen auch nicht.
Die Haustür fiel zu, sie sah ihrem alten Herren dabei zu, wie er die Kreuzung überquerte, vor sich hin schimpfte und in die Richtung des Getränkemarktes ging.
Du hast immer noch deine Glücksbringer. Du hast sie unter deinem Bett. Dir kann nichts passieren.
Sie räumte die gesamte Wohnung auf, brachte den Müll nach draußen und gab den Katzen Futter. Die Bilder ihrer Mutter drehte sie wie jeden Tag wieder um, obwohl sie wusste, dass das ihren Vater verärgerte.
„DIESE DUMME FOTZE SOLL BLEIBEN, WO SIE IST! WIR BRAUCHEN SIE NICHT!“
Es war ihr Wunsch gewesen, dass die Bilder blieben.
Dafür drehte ihr Vater sie jeden Tag aufs Neue um.
Du hast immer noch deine Glücksbringer. Du hast sie unter deinem Bett. Dir kann nichts passieren.
Die Tür wurde aufgeschlossen, der Vater trat ein.
„Schon wieder aufgeräumt, wat?!“ Er lallte, konnte aber noch gerade gehen. Sie hakte sich bei ihm unter und brachte ihn zum Sofa.
„Bring mir ma ein Glas Wasser.“ Das war keine Bitte. Sie lief schweigend in die Küche und suchte ein Glas, das nicht kaputt oder dreckig war.
Verlernt man eigentlich sprechen, wenn man es nie tut?
Das Glas in seiner Hand zitterte verdächtig und plötzlich wusste sie, warum das Geschirr Risse und Sprünge besaß.
Er legte sich längst auf die Couch und schloss die Augen.
„Dank dir. Weißte, ich find, wir machen dat hier ganz gut. Bist doch meine Kleine.“
Dann schlief er ein. Nach ein paar Minuten hörte man ihn schnarchen. Sie verzog sich langsam, vorsichtig setzte sie einen Fuß nach dem anderen auf den dreckigen Teppich, versuchte, keine Geräusche zu machen.
Im Zimmer atmete sie geräuschvoll aus.
Vielleicht hat er recht, dachte sie und rollte sich auf ihrem Boden zu einer Kugel zusammen. Wie ein Igel, überlegte sie. Die Vorstellung gefiel ihr: Über und über mit Stacheln bewachsen zu sein. Und keiner kann mich anfassen, keiner tut mir etwas.
Ein kleines Lächeln entstand auf ihrem Gesicht. Nicht für lange, zwei, drei Sekunden, aber es war genug.
Die Augen geschlossen, die Hände an den Beinen geklammert. Im Hintergrund ihr schnarchender Vater. Vielleicht war auch das Alltag.

Am nächsten Morgen war der Karton unter dem Bett geleert, ein Zettel lag neben dem billigen Versteck.
„Weil ich kein Igel bin.“


Freitag, 18. Juni 2010

Kriegserklärung

Ich werde eine Pistole kaufen und einen Krieg beginnen.
Ich werde die Kugeln gefüllt mit wüsten Beschimpfungen, Erinnerungen und Hass auf dich abfeuern. Sie werden dich an deiner Schulter treffen. Und am Kopf. Deine Haare werden verkleben und du weißt ja, dass sich Blut schwer auswaschen lässt.
Ich werde dir nicht helfen, wenn du vor mir liegst und die Worte mit dem Blut aus deinem Mund fließen, die ich gerne in der Friedenszeit gehört hätte.
Und das Letzte, was du siehst, bevor du stirbst, bin ich.
Wenn du willst, singe ich dir ein Lied vor.
Vielleicht darfst du auch wählen, welches.
Aber vielleicht kannst du auch gar nicht mehr sprechen. Und dabei wusstest du doch immer, was gesagt werden muss!
Schade für dich.

Donnerstag, 3. Juni 2010


Damit hier auch mal etwas Positives steht:
Mir geht' gut.
Mehr ist nicht zu sagen.
Gute Musik?
OHRWURM!


http://www.youtube.com/watch?v=jVdigDn1VDA

Montag, 31. Mai 2010

„Du erkennst mich nicht wieder, allein. Mein Gesicht sei noch gleich und du weißt nicht, ob das reicht, um nicht alleine zu sein.“

Es tut mir weh, diese Zeilen zu schreiben, denn ich habe bemerkt, dass es vor ein paar Monaten ganz anders in mir aussah, wenn ich an dich und an uns gedacht habe.
Und bitte, ich weiß doch auch, dass wir es schaffen werden, dass wir sowieso alles schaffen werden, aber es fällt mir so schwer.
Es kommt mir vor, als hätten wir in den letzten Tagen, Wochen, Monaten zu viel gesprochen und nun sind keine Worte mehr vorhanden, die das beschreiben könnten, was momentan vor sich geht. Denn da ist nichts, da ist absolut nichts, was ich dir momentan sagen kann- auch wenn ich es noch so gerne möchte.
Es fällt mir schwer, dich anzulügen und ich möchte es auch eigentlich nicht tun- aber es fällt mir noch schwerer, dir die Wahrheit zu sagen.
Die ist nämlich, dass ich dir eigentlich nichts zu sagen habe.
Aber momentan bin ich selbst zu schwach, um dir das zu gestehen. Ich komme nicht los von dir, denn ich weiß, dass es dich verletzen würde, wenn ich dich bitten würde, mich für eine Zeit lang in Ruhe zu lassen. Ich will dich nicht verlieren, aber ich muss dich auf Abstand halten, denn momentan bin ich schrecklich.
Schrecklich zu dir, schrecklich zu anderen Personen, die ich liebe und schrecklich zu mir.
Ich musste eben weinen, und das ganz grundlos. Mir tut es Leid, was ich dir antue, mir tut es Leid, wie ich dich behandele, aber momentan kann ich einfach nicht anders. Selbst wenn ich mich noch so stark wehrte- es würde nicht klappen.
Ich bitte dich nur um eins: Sei da, wenn ich wieder bei mir bin und weiß, dass ich dich niemals, niemals verlassen werde. Und verzeih mir meine Fehler.

Mittwoch, 26. Mai 2010


Wie kannst du wissen was ich mein',
wenn ich tagelang nichts sag'
und nur mit geschlossenen Augen
aus diesem Zimmer starr'.

„Sag mal Johann kann es sein,
dass du ständig müde bist?
Und ist es möglich, dass kein Schlaf hilft
und du irgendwas vermisst?“

Spritze(ndes) Blut



"Ich will diese Nachricht nicht mit „Liebe“ anfangen, denn das klingt zu formell.
Was ich dir jetzt schreibe, ist wohl so ziemlich persönlich, deswegen will ich diese Mail wohl auch nicht mit diesen beschissenen Höflichkeitsfloskeln anfangen, denn ich weiß, bzw. zumindest hoffe ich das, dass du weißt, dass ich dich mag. Ohne dieses viele „Ich mag dich“/“Ich hab’ dich echt gern“ und so weiter.
Aber jetzt zum eigentlichen Teil des Briefes.
Ich wollte dir schreiben, was ich will. Was ich wirklich will, meine ich. Das heißt, ich schreibe hier jetzt nicht meine Wunschliste von CDs und Klamotten drauf, sondern das, was ich immer für mein Leben, für meine menschlichen Beziehungen zu anderen und für mich wollte- oder immer noch will.
Ich will, dass ich frei bin. Und wenn ich frei schreibe oder sage, dann meine ich es auch so. Ich will keinen Alltagsjob, an den ich gebunden bin. Ich will nicht um 8 Uhr aufstehen, um halb neun nach Hause kommen und mit meiner Freundin oder Frau fernsehen. Ich möchte schlafen, wenn ich müde bin, ich möchte rennen, wenn mir danach ist und ich will malen, wann immer ich einen kreativen Schub habe.
Ich will mich nicht vom Steuernzahlen abhängig machen, ich will keine Regeln befolgen, die andere für mich aufstellten, ich will mir nichts vorschreiben lassen.
Ich will nicht jeden morgen dafür sorgen, mir einen Schuss zu geben. Ich will die Narben nicht mehr sehen, ich will frei sein. Auch von diesem Teufelszeug, was mein Lebenselixier ist. Kannst du das verstehen? Ich habe immer rebelliert. Gegen alles und jeden. Und dann verfalle gerade ich der Materie und spritze mir täglich diese Scheiße in die Adern, auf deren Blut ich früher stolz war.
Ich will, dass ich jemanden finde, über den ich ganz stolz sagen kann: Diese Person gehört zu mir. Sie ist meine besser Hälfte, mein Herz gehört ihr. Und ich meine, wieso brauche ich es überhaupt, es ist doch nur ein Organ.
Ich möchte, dass mich die anderen Menschen mit dieser einen Person in Verbindung setzen. Ich möchte aufwachen und denken: Egal was kommt, sie ist bei mir.
Ich will fallen und nie aufkommen.
Ich will so frist- und endlos glücklich sein, dass ich denke, mein Kopf zerspringt. Ich will tanzen, bis ich kaum noch atmen kann und alle negativen Gedanken aus dem Kopf weggedreht wurden. Ich will lieben.
Ich will leben."

Problem?

Zeiten ändern sich und du hörst plötzlich auf, rumzuheulen.
Du sitzt da und hörst ihnen zu. Die Probleme fließen wie Wasser den Abfluss herunter, sie werfen sich in deine Arme und beklagen sich, dass alles so schlimm sei.
Und du sitzt da und würdest ihnen am Liebsten das Maul stopfen.
Du hast früh gelernt, den Kopf hoch zu tragen, du hast früh gelernt, niemanden zu nah an dich ranzulassen. Zu früh, zu spät, was macht das für einen Unterschied.
Im Endeffekt sitzt du ihnen wieder gegenüber und denkst, wie froh du wärest, wenn du ihre Probleme hättest. Und was sie sich für Gedanken machen! Da ist selbst mein vernarbtes Gesicht zu schön, um es mit so was zu belasten.
Doch du sitzt da und lächelst, zitierst dumme BRAVO - Ratschläge und beteuerst, dass alles besser wird. Du begleitest sie zur Tür, drückst sie fest und musst fast kotzen, weil dir alles so weh tut.
Verdammt, manchmal bin ich froh, meine Probleme auf den eigenen Schultern tragen zu können. Wie ihr zusammen brächet, wenn ich euch damit belasten würde!

Freitag, 21. Mai 2010

„Und es erinnert mich jeden Kleinigkeit an sie. Wenn ich die Platten sehe, die Bilder an der Wand, noch nicht mal die Fotos, verstehst du! Allein die Bilder, die wir zusammen ausgesucht haben.
Alles schreit ihren Namen, alles schreit nach ihr.
Manchmal frage ich mich, was sie eigentlich mehr vermisst; meine Seele oder meine Augen, die sie nicht mehr sehen können, die sie nicht mehr suchen, zwischen all den anderen auf irgendwelchen Partys oder bei den Lesungen. Und der Mund! Er kann ihren Namen nicht mehr aussprechen, ohne dass seine Winkel im nächsten Moment nach unten wandern.
Ich vermisse jede Kleinigkeit. Alles, was mir früher unwichtig, gar lästig schien, ist jetzt das, was mich zum Heulen bringt.
Man könnte das alles positiv sehen. Hey, ich habe jetzt am Morgen eine halbe Minute länger, weil ich nicht ihre Kaffeetasse wegräumen muss! Aber ich vermisse es so. Ich vermisse es, ihre Haare aus dem Abfluss zu sammeln, ich vermisse es, die U-Bahn ihretwegen zu verpassen, ich vermisse es, das Bettlaken jeden Morgen nicht verknüllt vorzufinden.
Und niemand versteht mich.
Ich glaube, es wäre leichter, die Trauer mit jemanden zu teilen, aber ich kenne niemanden, der sie ansatzweise so sehr geliebt hat, wie ich es tu.
Alle reden davon, dass sie mich verstehen. Dass ich meine Zeit bräuchte und dass es besser wird. Aber was soll besser werden? Das ist keine frustrierte Frage, ich will nur Klarheit: Für was lebe ich, wenn nicht für sie? Und wieso sollte ich die Zeit nutzen, die mir die Menschen gütigerweise schenken, damit ich mich wieder fangen kann? Wie kann ich „zu mir selbst“ finden, wenn der beste Part von mir gegangen ist?Wie kann ich weitermachen, wenn ich im Kreis renne und es kein Ziel gibt?
Und wieso sagen sie alle, es tue ihnen leid, wenn sie nicht wissen, was MIR leid tut?!
Mir tut leid, dass ich so oft so unehrlich zu dir war. Dass ich dich belogen habe, dass ich dich hintergangen habe. Dass ich nicht meine gesamte Aufmerksamkeit dir gespendet habe, wenn es dir wichtig war. Dass ich deine Hand nicht gehalten habe, als du sie mir hingehalten hast. Dass ich gelacht habe, als du über deine Träume gesprochen hast. Dass du mit mir nie richtig über den Tod reden konntest.
Und dass ich dir nie gesagt hast, dass du mich glücklich gemacht hast.
Dass du mein Glück warst.
Bist.“

Donnerstag, 20. Mai 2010



Ich muss schon sagen, ich liebe dich.

Dienstag, 18. Mai 2010

HerzBlut

Ich habe dir mein Herz vor den Füßen ausgekippt.
Das ist wie wenn man einen Krug mit Orangensaft umwirft und der dickflüssige Saft
dann langsam von der Tischplatte auf den Boden tropft.
Und dann lag da also das, was sich die Innereien meines Organs, das so fleißig Blut in mich pumpt, nennt.
Erstaunt blicke ich auf die Pfütze hinab, von hier oben sieht alles so winzig aus. Und trotzdem erkenne ich die Erinnerungen, die im Blut mitschwimmen. Ich sehe dich lachen und mich weinen, ich sehe Wut und erkenne viele Situationen wieder, in denen ich mich als glücklich bezeichnet habe.
Da sind sie also, die Memoiren unserer Beziehung, die ich so lange verdrängt habe, bis das Fass überlaufen musste. Und nun ist es ausgerechnet vor deinen Füßen passiert, obwohl du doch der Grund warst, warum ich das alles versteckt habe.
Und nun wurde der ganze Plan zerstört, nur weil ich nicht reden möchte. Manchmal ist es zu anstrengend, den Mund zu öffnen, die Worte zu Sätzen zusammen zu fügen und dir zu erklären, warum man eigentlich nicht erklären möchte. Meist artet das dann zum Streit aus, meist muss ich dann noch mehr erklären.
Auch das kann man erkennen, in den Linien, die das Blut zeichnet. Die Worte, die Sätze und die Lügen, die uns verfolgten wie die Katze die Maus.

Die Lache breitet sich immer mehr aus und ich denke noch: „Wie gut, dass hier kein Teppichboden liegt!“, als du mit deinen Turnschuhen mitten rein trittst.
In mein Herzblut, in meine Erinnerungen, in unser altes Leben.
Du müsstest deinen Weg jetzt fortsetzen, erklärst du und säuberst die Schuhe mit einem Einweghandtuch.
Weißt du, dass man das danach wegwirft?

Rebell


Du trinkst Bier und Wodka, du bist ein Rebell.
Du schwänzt wöchentlich einmal den Nachmittagsunterricht, du bist ein Rebell.
Du wirfst Steine auf den Demos, du bist ein Rebell.
Du hast dir einen Mercedesstern geklaut und dieser hängt jetzt an deinem Rucksack, du bist ein Rebell.
Du schreibst extra schlechte Noten, damit sich deine Eltern aufregen, du bist ein Rebell.
Du wirst später nicht wählen gehen, bringt ja eh nichts, die ganze Scheiße, du bist ein Rebell.
Du läufst ganz rot im Gesicht an, wenn du dich über alles aufregst, du bist trotzdem ein Rebell.
Wenn es das Taschengeld von Mami und Papi zulässt, kaufst du dir teures Gras, dann wirst du als Rebell gefeiert.
Deine Argumente sind die besten und stärksten, sodass du dir die anderen gar nicht anhören musst. Ja, ich geb’s zu, du bist ein Rebell.
Wenn du mit deinen Buttons auf den Hosen durch die Schule läufst, hier und da mit deinen Freunden abklatscht, dann sehen sie dich alle an. Sie wollen so sein wie du, so ein toller Rebell.
Du hast dem Mathelehrer einfach mal so deine Meinung gesagt, ist ja eh alles für den Arsch, wofür brauchst du Kreisberechnungen, wenn du schon das hast, was du immer wolltest? Du bist schließlich ein Rebell! Und die zeigen dann auch mal den Vorgesetzten der Schule den Mittelfinger. Starker Rebell!
Du weißt alles, du kannst alles, du bist cool, du wirst eingeladen, dein Leben ist easy und du bist eigentlich glücklich.
Aber Rebellen dürfen nicht glücklich sein. Rebellen sind wütend.

Sonntag, 16. Mai 2010


Wieso sagst du, du weißt, wie's mir geht, obwohl du weißt, dass du's nicht weißt, weil es nicht geht?
Chissmann - Schmerzhaft

Herzlos

Ich bin mein Herz los.
Es hängt jetzt irgendwo bei dir an deiner Pinnwand, neben all den anderen Sachen, wie Konzertkarten und Briefen, die sich im Laufe des Jahres angesammelt haben.
Es fällt nicht besonders auf, es hat aufgehört zu bluten und nun wurde es einfach mit einer billigen Reiszwecke auf die staubige Pappe geheftet. Wenn du morgens aus der Dusche kommst, dein T-Shirt im Chaos suchst, wenn du nachts nach Hause kommst und dich schlafen legst, dann hängt es dort und wartet, dass du es bemerkst. Vielleicht fällt es dir auf, wenn du aus deiner Wohnung ziehst und die Pinnwand abnehmen musst. Vielleicht erkennst du dann, dass ich immer bei dir war.
Ich habe keine Nachricht hinterlassen und ja, vielleicht verwundert dich das, weil ich doch immer für alles Worte gefunden habe.
Aber nun bin ich wie du, Herzlos und befreit von dir. Und du trägst die Verantwortung für das, was in deiner Hand liegt: der kalte Stein, medizinisch Organ, Herz genannt.

Klären wir die Angelegenheit wie zwei Vernünftige.

"Da stehst du also auf der Straße, bekleidet mit deiner Jacke und zwei Koffern. Komisch, wie wenig von all der Zeit übrig geblieben ist. Und es passt in zwei Koffer, das muss man sich mal vorstellen!
Du schüttelst ganz formell meine Hand, blickst mir noch einmal in die Augen und wünscht mir „nur das Beste“.
Und als du dich umdrehst und gehst, weiß ich, wie meine Zukunft aussieht: Zum Geburtstag und zu Weihnachten eine Karte, eine Sms oder E-Mail. Hauptsache die ganze Gelegenheit freundlich und geklärt abschließen. Wenn wir uns treffen, wirst du überrascht grüßen, die normalen Alltagsfloskeln und „Lass uns doch mal wieder auf einen Kaffee treffen!“ werde ich mir auch anhören.
Ich sehe dir lange nach. Komisch, dass ich die Zeit nicht als „verschwendet“ empfunden habe. Und ich weiß, dass wenn du mich jetzt hier stehen sehen würdest, du es nicht verstehen könntest.
Aber wie kannst du mit so leichten, federnden Schritten in dein neues Leben gehen, obwohl ich an dem Punkt verharre, an dem du mich allein gelassen hast?

Ich schließe die Tür und blicke ins Treppenhaus. Da haftest überall du. Und noch nicht mal ein neuer Anstrich könnte etwas daran ändern, dass das Neue keinen Platz findet, in dem Leben, das deinen Namen trägt."

Samstag, 8. Mai 2010

„Die Sonne scheint. Kannst du dir das vorstellen? An solch einem Tag strahlt die Sonne! Mir scheint, als sei Gott der Künstler der Ironie, denn wie kann etwas Gutes so falsch sein?
Ich habe Angst, wie noch nie im Leben. Ich möchte fallen, fallen und fallen und den Aufprall nicht miterleben, weil ich im Fall sterbe. Stell’ dir das einmal vor: Ich springe einfach und sterbe durch die Luft, die an meinen Ohren vorbeizischt, die meine Haare in die Luft reißt und die meine Lugen explodieren lässt. Stell’ dir das nur einmal vor! Dagegen ist ertrinken grade zu langweilig.
Erinnerst du dich noch an den einen Tag, an dem wir uns über den Tod unterhalten haben? Du sagtest mir, du wollest dich vor einer großen Leinwand erschießen, wenn es denn so weit wäre. Das Bild, das von deinem Blut und deinen Organen gezeichnet werden würde, ließest du dann an deine Feinde schicken. Und sie würden dieses Bild nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Es würde sich in ihre Gedanken fressen, es würde sie in den Schlaf begleiten und sie nicht mehr loslassen. Sie könnten kein Fleisch mehr essen, ohne an das Bild zu denken, das sie wahrscheinlich schon längst vernichtet hätten. Sie könnten keinen Menschen mehr anfassen, ohne ein schlechtes Gefühl in der Magengegend zu bekommen.
Weißt du noch, wie du gelächelt hast, bei der Vorstellung, wie sehr sich die Menschen quälen, wie oft sie in Gedanken deinen Namen nennen und sich zur Hölle verfluchen würden?
Ich erinnre’ mich noch genau an diesen Tag.
Und ich weiß, dass du es nicht mehr tust.“


Heute möchte ich sterben.
Nein wirklich, heute möchte ich, dass mein Herz aufhört zu schlagen. Ich möchte einfach den morgigen Tag nicht mehr miterleben. Und weißt du was? Ich habe noch nicht mal einen richtigen Grund dafür.
Aber warum braucht man den auch immer?
IMMER wollen die Menschen Argumente für die Taten, die ich vollziehe. Wieso ist das so? Wieso kann man nicht einfach in den Moment „hinein leben“?
Ich sage es dir: Weil es dumm wäre, so etwas zu tun. Weil niemand es lange aushalten würde. Denn im Endeffekt kommen die Fragen. Sie prasseln auf dich ein, wie der Regen auf das Vordach unseres Hauses, nur leider machen sie keine so schönen Geräusche wie die großen Wassertropfen.
Ich möchte sterben.
Ich möchte sterben.
Wieso stirbst du nicht mit mir?"

Organhandel

Kennst du das, wenn du denkst, du stirbst, weil dein Herz nicht mehr schlägt, weil es jemandem anders gehört?
Nein, natürlich kannst du solch ein Gefühl nicht kennen, denn du besitzt es ja.
Mein Organ, das eifrig Blut in meinen leeren Körper pumpte, den ich so schlecht behandelte wie du das Sofa deiner Eltern.
Und manchmal knöpfe ich mir mein Hemd auf, um zu gucken, ob man die Wunde nicht sehen kann, denn ich spüre ihn immer noch, den Punkt, an dem du es mir rausrisst.
Ich fühle mich wohl ohne das Organ, das mich süchtig werden ließ. Oder war es mein Kopf?

(Bal)Last

Ich fand das immer albern, das weißt du. Ich empfand diese Menschen als lästig, die ihren Kummer und ihre Wut im Internet preisgaben.
Aber ich vergaß meine Grundprinzipien, zum ersten Mal, als ich diesen Hass in mir verspürte. Das ist absurd, ich weiß. Es ist absurd, jemanden zu hassen, den man so sehr braucht und liebt. Aber vielleicht unterdrückte dieser Hass auch einfach die anderen Gefühle, die mich erdrückten und erdrücken.
Du erdrückst mich.
Die Zeit, die ich mit dir verbracht habe und an die ich mich jetzt immer erinnere erdrückt mich.
Dich zu sehen erdrückt mich.

Freitag, 30. April 2010

Vom Glauben und Verwandtschaften

Glaubt ihr an Seelenverwandtschaft?
Nein, stopp, dies soll kein Eintrag werden, der euch davon überzeugen soll- denn ich glaube nicht daran.
Seelen sind das, was die Menschen zu Menschen machen. Was sie vollkommen fühlen lassen und sie ausmachen- und so etwas kann meines Erachtens mit nichts und niemandem verwandt sein.
Aber wie soll ich sonst dieses Besondere zwischen mir und der Person nennen, der ich diese Zeilen widme?
Seelenfreundschaft?
Denn auch, nachdem ich dieses Wort kursiv hervorgehoben habe, ändert es nichts daran, dass die 18 Letter zu wenig für das sind, was uns verbindet.
Ich schrieb, dass eine Seele vollkommen macht.
Was aber, wenn du ein Teil meiner Seele bist? Denn du machst mich vollkommen.
Und glücklich.
Vollkommen glücklich.
Und selbst in diesem Moment weiß ich, dass jene Zeilen unnötig sind, denn ich muss dir nichts beweisen, ich muss dir nichts gestehen. Es ist nicht nötig, dir zu sagen, dass ich dich liebe, denn du spürst es in dir.
Zumindest hoffe ich, dass du es spürst, denn ich fühle es.
Wie eine unsichtbare Goldkette mit kleinen Ösen spannt die Beziehung zwischen uns- und trotzdem sind wir entspannt.
Ich kann fallen und muss nicht auf den Aufprall warten, denn es ist unendlich.
Es? Das zwischen dir und mir, das zwischen uns.
Die Goldkette mit den kleinen Ösen, die Beziehung, die Seelenfreundschaft.