Suche Sinn, biete Finderlohn.

Samstag, 20. November 2010

Das Telefon klingelt dreimal, dann nehme ich ab. Die Ziffern auf den Tasten sind extra groß gedruckt, damit man sie zu jeder Tageszeit und mit jedem Augenschein erkennen kann.
Du begrüßt mich nicht richtig, plapperst sofort drauf los und erzählst mir von deinem Tag. Ich setze mich auf einen unserer Hocker, der im Flur steht und höre dir zu. Ab und zu werfe ich ein interessiertes „Okay.“ „Aha.“ oder „Oh wow!“ ein, damit du auch merkst, dass ich dir zuhöre. Obwohl ich bezweifle, dass dir das so wichtig ist. Du hörst dich selber gerne reden.
Ich wundere mich über deine Gedanken
oder über die meine? Wie kann es sein, dass du so viel mit mir teilst, obwohl ich ganz anders nachdenke? Ich schweige eine Minute lang, aber dein Redeschwall bricht nicht ab. Ich atme geräuschvoll aus und ein und an deiner Stelle hätte ich nun aufgehört zu erzählen, doch du musst noch so viel aus dir rausholen, es muss noch so viel gesagt werden. Der Spiegel hängt mir gegenüber und ich sehe krank aus.
Die Probleme, die du hast, würde ich nicht einmal als welche betiteln, aber wie kann ich das auch beurteilen, jeder Mensch empfindet verschiedene Schmerzen unterschiedlich, vielleicht ist es ja das, was das Leben so interessant macht.
Dass ich nicht verstehen kann, warum du über die Jungen weinst, die du liebst und dann wieder nicht, warum du immer wieder dieselben Wege gehst und dich nachher wunderst, warum du immer wieder in dasselbe Loch fällst, obwohl dort langsam Warnschilder stehen sollten, so oft bist du die Wege gegangen.
Und du verstehst nicht, warum ich manchmal einfach so weine, obwohl es keinen bestimmten Grund hat. Ein bestimmter Grund wäre in deinen Augen wohl ein Junge, aber wieso sollte ich über etwas Salzwasser vergießen, das mir nicht halb so wichtig ist wie das, worüber ich mir eigentlich Gedanken mache.
Ich muss schlafen, die dunklen Ringe unter meinen Augen breiten sich immer weiter aus und ich stelle mir vor, wie sie mein Gesicht auffressen. Du redest und redest und so langsam wird mein Ohr ganz rot, es wird heiß und das mag ich nicht.
Ich drücke auf den großen roten Hörer, er kommt mir noch größer vor als die anderen Tasten.
Ein paar Sekunden später klingelt das Telefon wieder, ich hebe nicht ab.

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