Suche Sinn, biete Finderlohn.

Freitag, 30. Juli 2010

Ich roch nach Haarspray, er nach Schweiß. Die Mischung war perfekt, wie ich empfand und plötzlich nahmen die Dinge ihren Lauf. Er fragte mich, was ich am Liebsten tränke, Kaffee, Cappuccino oder doch lieber einen Latte? Ich musste ihn enttäuschen und bestellte mir einen Kakao. Die Sonne brannte heiß auf seiner glatten Haut, Schweißperlen rollten sämtlichen Stirnen hinab und ich saß mittendrin und lächelte.
Er erzählte mir von seinem Job, der Poesie und er zitierte sämtliche Philosophen, die er gerne mochte. Einmal stand er auf, breite seine Arme aus und sang mit kläglicher Stimme Pavarotti. Er brachte mich zum Lachen und mir war nichts mehr peinlich, fast so wie zu viel Alkohol, nur süßer. Vielleicht ein Mixgetränk.
Dann beschwerte er sich, dass Romantik nur bei großen Schriftstellern, Musikern oder allgemein Künstlern schön sei, nicht bei Männern wie ihm.
„Dann ist es einfach Kitsch, verstehst du? Dann denkt sich die normale Frau von heute: „Hey, der will dich einfach nur in die Kiste bekommen, mehr nicht!“ Und puff, aus ist es mit der super Idee von ernst gemeinten Sätzen unter den Linden im Park.“
„In was für einem Jahrhundert lebst du denn?“ Ich sah ihn an, grinste, es sollte nicht besonders ernst gemeint sein, es sollte zumindest keine Diskussion lostreten, aber er nahm es sehr persönlich.
„In was für einem Jahrhundert ich lebe? In einem Jahrhundert, in dem es noch um wahre Liebe geht. Um dumme, irrationale, irreführende, romantische, „kann-nicht-ohne-einander-leben“ Liebe!“
Ich sah ihn an, schlürfte meinen Kakao und dachte über seine Worte nach. Er hatte recht behalten, so etwas klang nur mit Musik gut. Vielleicht, weil das Klavier den Kitsch mit sich nimmt oder weil die Geigen es einfach überspielen. Und vielleicht war Julia ja auch nur gestorben, weil sie so sehr an dem fest hing, dass es nur eine große, wahre Liebe im Leben gibt? Und die ist ihr ja einfach verreckt.
Er redete die ganze Zeit, aber ich konnte ihm nicht mehr folgen, zu sehr nahmen mich meine Gedanken ein. Kann es sein, dass ich irgendwann aufgehört hatte, nach DER Liebe zu suchen und mich einfach anpasste?
Mein Kakao war leer, die Tasse stand vor mir und ich wurde immer unruhiger. Wenn dem so sei, überlegte ich, war ich für diesen Mann nicht bereit. Zumindest wollte ich nicht, dass er meinetwegen schrecklich kitschige Liebesgedichte verfasste, die frühestens in 50 Jahren romantisch wurden. So lange konnte man nicht warten, nicht mal für den perfekten Mann oder die perfekte Harrspray-Schweiß-Sommer-Mischung.
„Weißt du, wenn ich ehrlich sein soll, muss ich dir gestehen, dass ich genau so wie die anderen bin. Ich finde das alles auch schrecklich kitschig und ich glaube nicht mehr an die große Liebe!“
Er starrte mich verwirrt an. Ich hatte ihn in seiner hitzigen Argumentation unterbrochen und ich hatte ihn mit der schrecklichen Wahrheit konfrontiert, die leider eher realistisch aussah. Beides zusammen kann kein Mann vertragen.
Ich rückte den Stuhl nach hinten, stand auf, gab ihm die Hand und wollte meinen Kakao bezahlen, da zückte er seine Brieftasche und meinte: „So viel Romantik muss sein. Oder nennen Sie es doch besser Anstand!“ Dann ging er.
Und so waren wir wieder zum Siezen zurückgekehrt.

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